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Aber jetzt fange ich an. Die Geschichte beginnt damit, dass sich drei
Frauen von der Wolfsteinburg davonmachten, weil sie – wie die Velbur-
gerinnen – ziemlich unglücklich waren. Das wussten natürlich die Bau-
ern nicht, die auf dem Anger, einer Wiese mitten im Dorf unter der Burg,
gerade eine Hochzeit feiern wollten.
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Nicht wenige von ihnen bekamen es daher mit der Angst zu tun, als sie
die drei vornehm gekleideten Frauen sahen. Sie fürchteten, jetzt könnte
dasselbe Unglück passieren wie in Velburg, und der Ritter würde den
drei Frauen auf der Stelle einen fürchterlichen Fluch hinterherschicken.
Denn der tolle Hans war bei den Bauern gefürchtet für seinen Jähzorn
und seine Launen und daher überhaupt nicht beliebt.
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Du willst jetzt sicher wissen, warum die drei Frauen von der Burg so un-
glücklich waren. Natürlich waren es Liebesangelegenheiten. Die erste
war die Frau des Ritters, wir nennen sie Rosamund. Sie fand es ziemlich
schlimm, dass ihr Mann lieber mit seinen Freunden soff und mit den
Mägden auf der Burg herumschäkerte, statt nett zu ihr zu sein. Die
zweite, Hildgund, war die Schwester des Ritters. Sie war noch unverhei-
ratet, sollte aber mit dem Heinrichsbürger vermählt werden, dem Ritter
von einer Burg in der Nähe von Pölling. Mit dem waren die Wolfsteiner
seit Generationen verfeindet, warum eigentlich, wusste keiner mehr.
Wenn sie miteinander verwandt wären, hofften die Ritter, könnte end-
lich Frieden einkehren. Gefragt, ob sie das auch will, hat man sie jedoch
nicht. Doch war es damals gar nicht ungewöhnlich, dass eine junge Frau
einen Mann heiraten musste, den sie vorher noch nie gesehen hatte.
Die dritte Edeldame war Sophie, die Zofe. Sie hatte keinen Mann, ob-
wohl sie gerne geheiratet hätte. Und weil es damals für edle Damen
sonst keine Arbeit gab, war sie auf die Hilfe von Verwandten angewie-
sen, bei denen sie leben konnte. Dafür machte sie sich bei der Rittersfrau
nützlich.
Die Bauern verstanden nicht recht, dass die drei Frauen darüber so un-
glücklich sein konnten. Hatten sie selbst doch ganz andere, und, wie sie
meinten, viel größere Probleme! Sie litten in vielen Jahren Not, mussten
trotzdem schwer arbeiten, nicht für sich, sondern für die Herren auf der
Burg. Aber weil sie die Herrin – im Gegensatz zum Herrn - recht gern
mochten, überlegten sie, wie sie ihr und den beiden anderen Damen
helfen konnten.
Erst mal feierten, lachten, sangen und tanzten sie weiter. Das gefiel der
jungen Schwester des Ritters so gut, dass sie mittanzte und mitfeierte,
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und schon war es passiert. Sie verliebte sich Hals über Kopf in den Bru-
der der Braut. Der junge Bauernbursch sah nicht nur gut aus, sondern
war auch richtig nett. Und so tanzten die beiden und hielten sich länger
fest als dafür unbedingt nötig gewesen wäre, und sie sah ihm dabei
ganz tief in die Augen.
Ein Unglück kommt selten allein, heißt es, und so war es auch hier. Mit-
ten in die fröhliche Hochzeitsgesellschaft platzte der Wolfsteiner, und
er war nicht allein. Das lag aber nicht daran, dass er alles schon doppelt
sah, so angetrunken wie er war, sondern der Parsberger Ritter war bei
ihm. Den fanden die Bauern gleich noch übler als den Wolfsteiner.
Wie es die Bauern befürchtet hatten, pöbelten die beiden sie an, belä-
stigten die Braut und wollten sie am Ende auf die Burg entführen. Heut-
zutage ist die Brautentführung ja ein schöner Brauch, und niemand
denkt sich was dabei. Der Bräutigam bekommt seine Liebste ja zurück,
- nachdem er ordentlich Getränke ausgegeben hat. Die beiden
Ritter aber hatten Schlimmeres vor, und als sie prahlend mit
ihrer Beute abziehen wollten, reichte es den Bauern. Sie nah-
men allen Mut zusammen, und weil die Ritter nicht hören
wollten, bekamen sie den Zorn der Bauern zu spüren.
Mit allem, was ihnen gerade in die Hände kam,
prügelten sie auf die Herren ein. Wer weiß,
wie das ausgegangen wäre, wenn nicht die
Frau des Ritters die Bauern mit sanften Wor-
ten dazu gebracht hätte, dass sie damit auf-
hörten.
Schließlich ließen sich die Bauern beruhigen,
und die Ritter und mit ihnen die Edeldamen
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kehrten auf die Burg zurück. Dass die Geschichte damit noch nicht zu
Ende ist, war allen Beteiligten klar. Aber welche Wendung sie noch neh-
men sollte, konnte keiner von ihnen ahnen.